Jakob Wassermann – Faber oder Die verlorenen Jahre

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Neben Stefan Zweig und Thomas Mann ist Jakob Wassermann (*1873 – †1934) einer der meistgelesenen deutschsprachigen Autoren zwischen den Weltkriegen gewesen. Die Karriere des Juden stand unter einem sinkenden Stern, als die Nazis die Macht ergriffen – auch Wassermanns Bücher gingen bei der Bücherverbrennung 1933 in Flammen auf. Sein Roman »Faber oder die verlorenen Jahre« (1924),  in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur wiederveröffentlicht, ist ein komplexes, psychoanalytisches und häufig unscharfes Werk.

Transparent wird es in diesem Stück selten, wenn der Autor herausstellt, wie sich Charaktere verändert haben. Von einer »entwurzelten Existenz« wird gesprochen, als Eugen Faber zurück aus der Kriegsgefangenschaft kommt. Die Uhrzeiger sind nicht stehen geblieben und nicht nur er hat sich gewandelt, gleichzeitig seine Frau, die Familie, Gesellschaft, die politische Lage (in der Weimarer Republik) und Welt.

Mit aller Macht will Faber begreifen, warum alles anders ist. Warum seine »Ehe durch Zwistigkeiten getrübt« ist. Warum seine Frau einer Art Heiligen, der Fürstin, verfallen ist. Warum sie sich emanzipiert. Warum ihm alles fremd erscheint. Seine Recherche geschieht meist hinterrücks, Faber meidet es, Klartext zu reden und offen mit der angespannten Lage umzugehen. Dadurch stochert der Leser häufig im Nebel, eindeutig mehrdeutig ist hier vieles.

Und auch deswegen schwanke ich beim Urteil. Ermüdend ist der Sachverhalt, der simpler hätte dargestellt werden können, wenn Gespräche ohne konkrete Aussprachen geführt werden und die Aussagen nur auf etwas hindeuten, statt klipp und klar oder pragmatisch zu sein. Aber hey, wir befinden uns noch in den Zwanzigern – da hat man wohl noch etwas anders schwadroniert, logisch.

Dann kann man das Buch auch als ein Ehe-Roman lesen. Der Gatte meldet sich zurück. Vorgestellt hat er sich alles anders, die Freude ist getrübt. Bei seiner Partnerin schaut es ähnlich aus. Beide haben eine Entwicklung hinter sich. Hinzu kommt ein Tête-à-Tête, mit einer Anderen. Werden sie sich wieder annähern? Fertig, das problematische Beziehungskonstrukt.

Der Reiz liegt in der Doppeldeutigkeit, die unterschiedliche Interpretationsansätze zulässt, die aber genauso als heikel bezeichnet werden kann. Ich hätte gerne manchmal den passenden Schlüssel für die passende Lösung gefunden. Hab ich aber nicht. Und so bleibe ich etwas – auch angesichts des wirschen, offenen Endes – ratlos zurück. »Faber oder die verlorenen Jahre« ist kein Muss, zwischendurch ein Genuss und dann wieder ein Buch mit sieben Siegeln.

[Buchausgabe: Wassermann, Jakob (September 2016): Faber oder Die verlorenen Jahre. Manesse Verlag. 416 Seiten. ISBN: 978-3-7175-2416-8]

[Weitere Rezensionen finden sich bei aus.gelesen oder Zeichen & Zeiten.]

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